Leserbriefe zur Entwicklung im Wrangelkiez, anonym.

1.

Neulich fand ich es ziemlich nervig, dass ein junger Türke ein kleineres Mädchen, das laut schrie, über die Strasse jagte. Das dauerte eine ganze Weile, weil sich das Mädchen geschickt durch die Autos schlängelte und ihrem Jäger immer wieder entkam. Schliesslich flüchtete es zu mir und der Junge schnappte sie. Ich sah mich gezwungen den Burschen festzuhalten, damit er nicht auf sie einschlagen konnte.
Plötzlich war ich das Ziel des Angriffs und konnte mich nur knapp der Angriffe erwehren, weil ich dieses Kind natürlich nicht wirklich massiv ausschalten konnte. Warum? Jedem deutschen Jungen hätte ich ein paar geknallt, dass ihm hören und sehen vergangen wäre. Also war hier eine Art umgekehrter Rassismus am Werk? Nein.
Ich lebe in diesem Bezirk seit 20 Jahren und ich kenne kaum die türkische Gesellschaft, die mich hier als Mehrheit umgibt.
Es war mein gesunder Menschenverstand, denn eines weiss ich: in null komma nix hätte ich die halbe Wrangel- oder Falckensteinstrasse an türkischen Mitbewohnern auf dem Hals gehabt.
Der Konflikt liess sich letztlich mit Hilfe einer sehr engagiert redenden türkischen Frau aus einem Bäckerladen entschärfen. Sie machte dem Jungen klar, dass er sich freuen müsste, dass ich mich für das Mädchen einsetzte, denn wenn er eines Tages verfolgt würde, wäre er froh jemanden wie mich zu haben, der ihm zur Hilfe eilt. Was sie ihm auf seine Behauptung, er dürfe dieses Mädchen schlagen, es seine Cousine, habe ich nicht verstanden, aber die Rede dauerte etwa 20 Minuten und war von niemandem zu unterbrechen
Diese Wendung war für mich eine sehr positive Erfahrung mit dieser weisen türkischen Mitbewohnerin und ich würde mich freuen, wenn es bessere Möglichkeiten der gegenseitigen Verständigung in dieser Art gäbe.
Ich war als Tourist in der Türkei schon vor 30 und vor 20 Jahren. Ich hatte auch immer mal türkische "Gastarbeiter" als Bekannte, und ich finde dass mir etwas fehlt, wenn ich das Befinden der mich umgebenden Mehrheit nicht kenne. Ich hätte gerne Kontakt, denn die Türken haben eine grosse Kultur. Leider ist meine normale Existenz zu weit von den diesen Mitbewohnern des Bezirks entfernt. Ich bewege mich in anderen Kreisen.
Auch deshalb engagiere ich mich als Gewerbetreibender in der Wrangelkiezinitiative, in der Hoffnung auf eine Chance zur gegenseitigen Integration.

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